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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 02.07.2004
Aktenzeichen: 11 UF 19/04
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 767
ZPO § 850 b
ZPO § 850 b Abs. 2
ZPO § 850 c
BGB § 242
BGB § 387
BGB § 394
BGB § 823
BGB § 826
1.)

Auch wenn es aus Gründen des Sachzusammenhangs sinnvoll erscheinen könnte, bereits im Unterhaltsprozess die Möglichkeit einer Aufrechnung nach den Regeln über die Pfändbarkeit von Unterhaltsansprüchen gem. § 850 b ZPO zuzulassen, ist dieser Weg im Interesse einer zügigen Verfahrenserledigung abzulehnen. Es bleibt insoweit bei der alleinigen Zuständigkeit des Vollstreckungsgerichts, das zu entscheiden hat, ob die Voraussetzungen der Pfändbarkeit und damit der Aufrechnung vorliegen.

2.)

Nimmt der Unterhaltsgläubiger hin, dass nur ein Teil des titulierten Unterhalts gezahlt wird, behält sich die Nachforderung aber vor, so verstößt er nicht gegen Treu und Glauben, wenn er später wegen der Rückstände vollstreckt, obwohl der Gläubiger seinerseits anerkannte Gegenforderungen in größerer Höhe hat.


OBERLANDESGERICHT HAMM IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

11 UF 19/04 OLG Hamm

Verkündet am 02. Juli 2004

In der Familiensache

hat der 11. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Hamm auf die mündliche Verhandlung vom 02. Juli 2004 durch die Richter am Oberlandesgericht Dr. Köhler, Michaelis de Vasconcellos und Jellentrup

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 18. Dezember 2003 verkündete Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Warendorf abgeändert.

Die Klage wird insgesamt abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

Die Beklagte vollstreckt gegen den Kläger wegen rückständigen Trennungsunterhalts, den dieser auf Grund der einstweiligen Anordnung des Amtsgerichts Warendorf vom 25.01.2002 (Az. 9 F 757/2001 AG Warendorf) schuldet. Die Forderung beläuft sich gemäß der Aufstellung vom 06.06.03, auf die Bezug genommen wird (Bl 10 GA), für die Zeit von März 2002 bis Januar 2003 einschließlich der Vollstreckungskosten auf 4.579,76 €. Der Kläger hat gegenüber dieser Forderung die Aufrechnung erklärt und will im Wege der Vollstreckungsgegenklage erreichen, dass die weitere Zwangsvollstreckung für unzulässig erklärt wird.

Eine weitere im Wege der Klagehäufung erhobene Vollstreckungsgegenklage, die sich gegen die vergleichsweise titulierten Ansprüche auf nachehelichen Unterhalt für die Zeit von März bis Juni 2003 richtete, hat das Amtsgericht als unzulässig abgewiesen; sie spielt in der zweiten Instanz keine Rolle mehr. Dem Streit über die Zwangsvollstreckung aus der einstweiligen Anordnung liegt folgendes zu Grunde:

Die am 18.09.1986 geschlossene Ehe der Parteien ist seit dem 31.01.2003 rechtskräftig geschieden. Nach der Trennung im Mai 2000, deren Anlass die Parteien unterschiedlich darstellen, haben sie am 21.12.2000 einen notariellen Vertrag zur Regelung der Scheidungsfolgen abgeschlossen. Sie haben den Versorgungsausgleich ausgeschlossen, die Verpflichtung des Klägers zur Zahlung von Kindesunterhalt für die bei der Beklagten lebenden Kinder geregelt und gegenseitig auf nachehelichen Unterhalt und eventuelle Ansprüche auf Zugewinn verzichtet. Weiter übertrug die Beklagte ihren Miteigentumsanteil an dem im Grundbuch von Warendorf Bl. 4450 eingetragenen Hausgrundstück auf den Kläger. Dieser verpflichtete sich im Gegenzug, die Entlassung der Beklagten aus der Mithaftung für die grundbuchlich gesicherten Darlehen herbeizuführen oder sie durch Abschluss einer Lebens- und Berufsunfähigkeitsversicherung hinsichtlich der Haftungsrisiken abzusichern (§ 14 des notariellen Vertrages). Weiter heißt es in § 15 des Vertrages:

Der Erschienene zu 1) (Kläger) ist weiterhin Eigentümer des Hausgrundstücks in Everswinkel. Dieses wurde mit einer Grundschuld von 200.000,- DM belastet, welche einen Geschäftskredit für die Erschienene zu 2) (Beklagte) absichert. Diese übernimmt gegenüber der Gläubigerin die Haftung für die der Grundschuld zu Grunde liegende Verbindlichkeit und stellt den Erschienenen zu 1) im Innenverhältnis von allen Forderungen und Ansprüchen Dritter frei.

Der vorstehend erwähnte Geschäftskredit diente der von der Beklagten betriebenen Firma M+M häusliche Krankenpflege. Da die Firma 2001 in finanzielle Schwierigkeiten geriet und eine Sanierung nicht gelang, wurde am 22.05.2002 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Beklagten eröffnet.

Die Beklagte hat bereits am 08.11.2001 Scheidungsklage eingereicht, die dem Beklagten am 10.11.2001 zugestellt wurde. Die dadurch eintretende Unwirksamkeit des Ausschlusses des Versorgungsausgleichs (§ 1408 Abs. 2 BGB) hat unstreitig den ganzen Scheidungsfolgenvertrag erfasst.

Im Zuge des Scheidungsverfahrens hat die Beklagte den Erlass einer einstweiligen Anordnung zum Trennungsunterhalt beantragt. Dem Beklagte ist daraufhin durch Beschluss vom 25.01.2002 aufgegeben worden, für Dezember 2001 1.771,- DM und ab Januar 2002 monatlich 905,50 € zu zahlen. Der Beklagte hat auf diesen Titel ab März 2002 monatlich nur 500,- € bezahlt. Die Beklagte hat nach ihrer Darstellung erklärt, diese Zahlung vorläufig im Interesse einer künftigen gütlichen Einigung hinzunehmen.

Im Scheidungsverfahren haben die Parteien im Termin am 31.01.2003 eine vom notariellen Vertrag über die Scheidungsfolgen abweichende Vereinbarung zum Versorgungsausgleich und zum nachehelichen Unterhalt geschlossen. Im übrigen sollte der notarielle Vertrag wirksam sein.

Im Juni 2003 hat die Beklagte einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss wegen des für die Zeit von März 2002 bis Januar 2003 noch offenen Trennungsunterhalts in Höhe von 4.460,50 € beantragt, der am 04.07.2003 antragsgemäß erlassen worden ist.

Der Kläger hat den auf seinem Hausgrundstück in Everswinkel abgesicherten Geschäftskredit der Beklagten nach dem Verkauf des Grundstücks am 06.08.2003 mit 51.129,- € abgelöst und im Schreiben vom 14.08.2003 mit dem daraus folgenden Erstattungsanspruch gleicher Höhe gegen die von der Beklagten geltend gemachte Restforderung auf Trennungsunterhalt aufgerechnet.

Der Kläger ist der Auffassung, die von ihm erklärte Aufrechnung gegen Unterhaltsansprüche sei trotz der Regelung der §§ 394 BGB, 850 b ZPO ausnahmsweise zulässig, so dass die zutreffend errechneten Restansprüche auf Trennungsunterhalt erloschen seien. Der Titel sei daher herauszugeben.

Der Vergleich vom 31.03.2003 sei dahin auszulegen, dass die Zulässigkeit der Aufrechnung vertraglich vereinbart worden sei. Darüber hinaus sei die Ablösung des Geschäftskredits als Unterhaltsüberzahlung zu werten, die eine Verrechnung mit den Rückständen ermögliche.

Schließlich verstoße die Vollstreckung deshalb in besonders schwerem Maß gegen Treu und Glauben, weil die Beklagte in Absprache mit ihrem Lebensgefährten den lukrativeren Teil ihres Geschäfts, die Intensivpflege, auf ihren Lebensgefährten übertragen und nur das Geschäft im übrigen in die Insolvenz geführt habe. So profitiere sie weiterhin indirekt von den Einnahmen aus dem Geschäft, während er praktisch auf ihren Schulden sitzen geblieben sei.

Der Kläger hat beantragt,

1.

a) die Zwangsvollstreckung aus dem Beschluss des Amtsgerichts Warendorf vom 25.01.2002 (Az. 9 F 757/01) für unzulässig zu erklären,

b) die Zwangsvollstreckung aus dem Vergleich vom 31.01.2003 (Az. 9 F 757/01 AG Warendorf) wegen monatlichen nachehelichen Unterhalts für März 2003 bis Juni 2001 in Höhe von jeweils 500,- € nebst diesbezüglicher Vollstreckungskosten für unzulässig zu erklären und die Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse des AG Warendorf vom 10.07.2003 (Az. 3 M 847/03) und vom 14.08.2003 (Az. 3 M 135.1/03) aufzuheben;

2.

die Beklagte zu verurteilen, die vollstreckbare Ausfertigung des Beschlusses des AG Warendorf vom 25.01.2002 herauszugeben.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat sich auf die Unzulässigkeit der Aufrechnung berufen. Sie hat geltend gemacht, dass der Beklagte den Vergleich vom 31.01.2003 in Kenntnis ihrer Zahlungsunfähigkeit abgeschlossen, aber gleichwohl keine Regelung der noch offenen Ansprüche auf Trennungsunterhalt herbeigeführt habe. Die Annahme, die Aufrechnung sei stillschweigend vereinbart worden, scheide daher aus.

Sie hat bestritten, die Insolvenz durch die Ausgliederung eines Geschäftsteils verursacht zu haben. Vielmehr habe sie versucht, das ganze Unternehmen zu retten, sei damit aber gescheitert, weil der Kläger eine von der Bank verlangte Stellung weiterer Sicherheiten abgelehnt habe.

Das Amtsgericht hat den Antrag zu 1 b) als unzulässig abgewiesen. Die Zwangsvollstreckung aus der einstweiligen Anordnung zum Trennungsunterhalt hat es hingegen für unzulässig erklärt und die Beklagte zur Herausgabe des Titels verurteilt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Aufrechnung sei ausnahmsweise nach Treu und Glauben zuzulassen, weil es nur um rückständigen Unterhalt gehe, auf den die Beklagte zur Deckung ihres laufenden Lebensbedarfs nicht mehr angewiesen sei, und der Kläger auf absehbare Zeit keine andere Möglichkeit habe, seinen Erstattungsanspruch wegen der Inanspruchnahme aus dem Geschäftskredit zu realisieren.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Beklagte mit der Berufung, mit der sie ihren Abweisungsantrag weiter verfolgt. Sie wiederholt ihr erstinstanzliches Vorbringen und zieht insbesondere in Zweifel, dass hier ein Fall vorliege, in dem das Aufrechnungsverbot zurücktreten müsse.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abändernd abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung seines erstinstanzlichen Vorbringens.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig und hat Erfolg.

Die Vollstreckungsgegenklage ist zwar zulässig, denn es geht um das Erlöschen des titulierten Anspruchs auf Trennungsunterhalt durch Aufrechnung, also eine den titulierten Anspruch betreffende und nach dem Erlass des Titels entstandene Einwendung im Sinne von § 767 ZPO, sie erweist sich aber entgegen der Auffassung des Amtsgerichts als unbegründet, weil die erklärte Aufrechnung nicht durchgreift. Zwar besteht eine Aufrechnungslage gemäß § 387 BGB, wie das Amtsgericht zutreffend angenommen hat, der Aufrechnung steht aber das Aufrechnungsverbot gemäß § 394 BGB entgegen. Einer der Ausnahmefälle, in denen das Aufrechnungsverbot zurücktreten müsste, liegt nicht vor.

1.

Die Aufrechnung wäre trotz des Aufrechnungsverbotes des § 394 BGB möglich, wenn dies vereinbart wäre, denn nach Eintritt der Fälligkeit kann der Aufrechnungsgegner auf den Schutz des Aufrechnungsverbots verzichten (Palandt, 63. Auflage, § 387, Rdnr. 20). Eine solche Vereinbarung ist aber weder ausdrücklich noch stillschweigend getroffen worden.

Unstreitig war dem Kläger beim Abschluss der Freistellungsvereinbarung, die Grundlage der Aufrechnung ist, bekannt, dass die Beklagte wegen des laufenden Insolvenzverfahren zahlungsunfähig war und der übernommenen Freistellungsverpflichtung nicht nachkommen konnte. Obwohl ihm nach dem ergänzenden Sachvortrag im Senatstermin auch bewusst war, dass deshalb eine Regelung wegen der noch offenen Ansprüchen auf Trennungsunterhalt getroffen werden müsste, hat er das nicht durchgesetzt: nach der Darstellung der Beklagten hat er diese Frage gar nicht erst angesprochen, nach seiner eigenen Darstellung von einer Klärung der Frage abgesehen, weil der amtierende Richter Verhandlungen über eine solche Regelung für zu schwierig hielt. Das schließt aus, eine stillschweigende Vereinbarung anzunehmen.

2.

Also bleibt nur die Frage, ob das Aufrechnungsverbot nach Treu und Glauben gemäß § 242 BGB zurücktreten muss, wie es das Amtsgericht angenommen hat. Auch das ist im Ergebnis zu verneinen.

a)

Anerkannt ist, dass dem Aufrechnungsverbot der Arglisteinwand entgegensteht, wenn die zur Aufrechnung gestellte Gegenforderung aus einer vorsätzlich unerlaubten Handlung des Unterhaltsgläubigers gem. den §§ 823, 826 BGB herrührt. Ein solcher Fall liegt aber nicht vor:

Selbst wenn man davon ausgeht, dass die Freistellungsverpflichtung nicht erst im Vergleich am 31.01.2003, sondern schon bei Stellung der Sicherheit vereinbart worden ist, handelt es sich um eine normale zivilrechtliche Ausgleichsforderung aus der Übernahme eines Auftrags. Ein Schadensersatzanspruch aus unerlaubter Handlung wegen vorsätzlicher Verletzung der Pflichten aus diesem Auftragsverhältnis käme nur in Betracht, wenn richtig wäre, dass die Beklagte ihre Firma durch Ausgliederung eines Unternehmensteils bewusst in den Ruin getrieben hätte.

Dafür gibt es aber nicht den geringsten Anhalt. Im Gegenteil: Der Kläger hat im Senatstermin ausdrücklich bestätigt, dass seine Ehefrau sich bemüht hat, ihre Firma insgesamt zu sanieren, er aber nicht bereit war, die dazu von der Volksbank verlangten weiteren Sicherheiten zur Verfügung zu stellen. War die Firma aber nicht zu retten, ist durch die nachfolgende Ausgliederung der Intensivpflege auch kein Schaden entstanden.

b)

Das Aufrechnungsverbot kann zwar nach Billigkeitsregeln eingeschränkt werden, wie sich aus § 850 b ZPO ergibt, die Voraussetzungen einer Aufrechnung nach dieser Vorschrift liegen aber nicht vor.

aa)

Nach § 850 b ZPO kann der Unterhaltspflichtige die Unterhaltsansprüche zum Zwecke der Aufrechnung nach den Regeln des Zugriffs auf Arbeitseinkommen pfänden, wenn er wegen seiner Gegenforderung einen Titel hat, die Vollstreckung daraus aussichtslos erscheint und die Pfändung der Billigkeit entspricht.

Die Entscheidung, ob die Voraussetzungen der Pfändbarkeit und damit der Aufrechnung vorliegen, soll nach überwiegender Auffassung aber nicht im Unterhaltsverfahren vom Familiengericht, sondern allein vom Vollstreckungsgericht getroffen werden. Das wird aus § 850 b Abs. 3 ZPO hergeleitet (BGH FamRZ 1970, S. 23; Wendl/ Staudigl, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 6. Auflage, § 6, Rdnr. 303, Fußnote 22 mit weiteren Nachweisen).

Dem schließt sich der Senat an: es ist gerechtfertigt, den Unterhaltspflichtigen auf den umständlichen Weg über § 850 b ZPO zu verweisen, weil sonst die Unterhaltsverfahren mit weiteren Problemen belastet werden, obwohl ein allgemeines Interesse an zügiger Entscheidung besteht.

bb)

Wendl/Staudigl stellen diese Praxis in Frage: Es leuchte nicht ein, weshalb nicht der Familienrichter aus Gründen des Sachzusammenhangs im Rahmen des Unterhaltsverfahrens genauso gut oder besser über die Frage der Pfändbarkeit als Voraussetzung einer Aufrechnung entscheiden könne (Wendl/Staudigl, a.a.O., 6. Auflage, § 6, Rdnr. 304).

Auch wenn man dieser Meinung folgen und eine Aufrechnung bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 850 b ZPO zulassen würde, könnte das die Vollstreckungsgegenklage nicht zum Erfolg führen, weil die Voraussetzungen des § 850 b ZPO hier nicht erfüllt sind:

§ 850 b Abs. 2 ZPO verweist für die Pfändbarkeit - und damit für die Aufrechnung - auf § 850 c ZPO. Danach ist der Anspruch auf Trennungsunterhalt, der sich auf monatlich 905,50 € beläuft, deshalb nicht pfändbar, weil auch Arbeitslohn erst ab einem Betrag von 940,- € gepfändet werden kann, wie sich aus § 850 c ZPO ergibt. Wenn aber eine Pfändung zum Zwecke der Aufrechnung gemäß § 850 b ZPO ins Leere laufen würde, kommt auch keine unmittelbare Aufrechnung in Betracht.

d)

Das Amtsgericht hat seine Wertung, dass das Aufrechnungsverbot gemäß § 242 BGB zurücktreten müsse, im Wesentlichen darauf gestützt, dass die Beklagte den rückständigen Betrag nicht zur Deckung ihres laufenden Bedarfs brauche. Deshalb verlangten Treu und Glauben, dass sie wenigstens diesen Betrag einsetze, um die übernommene Freistellungsverpflichtung zu einem - wenn auch geringen - Teil zu erfüllen.

Dem steht die Rechtsprechung des BGH entgegen, der klar die Auffassung vertritt, dass der Unterhaltsgläubiger Schutz und Privileg des Aufrechnungsverbots nicht dadurch verlieren könne, dass der Schuldner in Verzug gerate und deshalb größere Rückstände aufliefen (BGH FamRZ 60, S. 113). Also kann ein Verstoß gegen Treu und Glauben auch nicht daraus hergeleitet werden, dass der Gläubiger rückständige Unterhaltsbeträge vollstreckt und für sich verbrauchen will, statt sie zum Ausgleich von Gegenforderungen einzusetzen.

Der Einwand des Klägers, diese Grundsätze könnten hier deshalb keine Anwendung finden, weil die Beklagte mit der Zahlung von nur 500,- € einverstanden gewesen und er deshalb gar nicht in Verzug geraten sei, ist widerlegt. Nach der im Senatstermin vorgelegten Korrespondenz hat sich die Beklagte die Nachforderung der Differenz zwischen dem titulierten Monatsbetrag von 905,50 € und dem freiwillig gezahlten Betrag von 500,- € mehrfach vorbehalten. Der Kläger konnte und musste sich daher auf die Nachforderung einstellen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 708 Ziffer 10 ZPO.

Ende der Entscheidung

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